Forschungsaufenthalt/ Research Stay @ University of Cambridge

Miriam Gräf im Interview mit Lisa Kammholz über ihren Auslandsaufenthalt an der Universität Cambridge in England

2025/05/30

Willkommen zurück!

LK: Schön, dass du wieder da bist! Du warst jetzt mehr als 2 Monate in England. Wie geht es dir nach dieser Zeit und deiner Rückkehr an der TU Darmstadt?

MG: Vielen Dank, es ist schön, wieder hier zu sein! Die 2,5 Monate in Cambridge waren intensiv und sehr spannend. Ich habe dort unglaublich viel erlebt und gelernt – sowohl fachlich als auch persönlich. Cambridge hat mich mit seiner besonderen Atmosphäre, der internationalen Community und dem inspirierenden akademischen Umfeld sehr beeindruckt. Jetzt bin ich gespannt darauf, die neuen Impulse und Ideen in meine Arbeit hier einfließen zu lassen – und natürlich freue ich mich, das Team wiederzusehen!

LK: Was war dein erster Eindruck, als du wieder in Deutschland angekommen bist?

MG: Als ich wieder in Deutschland angekommen bin, hatte ich erstmal das Gefühl: alles ist irgendwie vertraut, aber auch ein bisschen langsamer. In Cambridge war immer viel los, alles sehr international und voller Eindrücke – da war die Rückkehr fast ein kleiner Kontrast. Es war aber auch schön, wieder bekannte Gesichter zu sehen, die eigene Wohnung zu haben und einfach das Gefühl von Zuhause. Trotzdem merke ich, dass mich die Zeit in Cambridge geprägt hat und ich jetzt mit neuen Ideen und einem frischen Blick zurück bin.

LK: Was hast du am meisten vermisst – beruflich oder privat?

MG: Privat habe ich vor allem die Nähe zu Familie und Freunden vermisst – einfach die kleinen Momente im Alltag, die einem viel geben. Beruflich war es weniger ein konkretes „Vermissen“, sondern eher die Vorfreude darauf, wieder mit dem vertrauten Team zusammenzuarbeiten. In Cambridge war das Umfeld super inspirierend, aber es ist auch schön, zurückzukommen und die gewohnte Zusammenarbeit wieder aufzunehmen.

Hintergrund zum Forschungsaufenthalt

LK: Wo genau warst du und wie lange ging dein Aufenthalt?

MG: Ich war für etwa zweieinhalb Monate an der University of Cambridge, genauer gesagt am Institute for Manufacturing. Während meines Aufenthalts war ich im Cyber-Human Lab tätig, das sich mit der Schnittstelle zwischen Mensch und Technologie in industriellen Prozessen beschäftigt.

LK: Wie kam es zu der Entscheidung, genau dort hinzugehen?

MG: Die Entscheidung, nach Cambridge zu gehen, basierte auf der bestehenden Zusammenarbeit, die wir seit einiger Zeit mit dem Institute for Manufacturing fördern. Es gab bereits frühere Aufenthalte und gemeinsame Projekte, bei denen sich gezeigt hat, dass unsere Forschungsthemen gut zusammenpassen. Besonders das Cyber-Human Lab mit seinem Fokus auf Technologien zur Unterstützung menschlicher Fähigkeiten – auch im Bereich immersiver Systeme – passt fachlich hervorragend zu meinen Schwerpunkten. Außerdem bietet Cambridge ein sehr interdisziplinäres Umfeld, das den Austausch über verschiedene Fachrichtungen hinweg fördert. Das hat es mir ermöglicht, gezielt an bestehende Anknüpfungspunkte in der Forschung anzuknüpfen und die Zusammenarbeit weiter zu vertiefen.

LK: Gab es bestimmte Ziele oder Fragen, mit denen du in den Aufenthalt gestartet bist?

MG: Ja, ich bin mit ganz konkreten Zielen in den Aufenthalt gestartet. Im Vorfeld hatten wir bereits ein gemeinsames Forschungsprojekt mit dem Team vor Ort abgestimmt, das inhaltlich sehr gut zu meinem Schwerpunkt passt. Eine Kollegin von mir hatte das Projekt bei ihrem Aufenthalt in Cambridge bereits angestoßen, und ich konnte nun daran anknüpfen und es direkt vor Ort weiterführen. Ein weiteres Ziel war natürlich auch, die bestehende Zusammenarbeit zu stärken und Ideen für mögliche Anschlussprojekte zu entwickeln. Dafür war der Aufenthalt ideal, weil sich viele Dinge im direkten Austausch einfach schneller und kreativer weiterentwickeln lassen.

Arbeit und Forschung vor Ort

LK: An welchem Projekt oder Thema hast du während des Aufenthalts gearbeitet?

MG: Während meines Aufenthalts habe ich an einem Projekt gearbeitet, das sich mit der Entwicklung von Guidelines für die Durchführung von Experimenten im Bereich immersiver Technologien beschäftigt. Ziel war es, Forschenden eine praktische Orientierungshilfe an die Hand zu geben – also Empfehlungen, worauf bei der Planung, Durchführung und Auswertung solcher Studien besonders zu achten ist. Das Projekt selbst war nicht ganz neu: Eine Kollegin aus dem Team hatte es bei ihrem Aufenthalt in Cambridge initiiert und bereits erste wichtige Grundlagen gelegt. Für mich war es eine tolle Gelegenheit, an diese Vorarbeit anzuknüpfen und das Projekt vor Ort gemeinsam mit dem Team im Cyber-Human Lab weiterzuentwickeln.

Dabei ging es unter anderem darum, Erfahrungen aus der bisherigen Forschung am Cyber-Human Lab systematisch aufzugreifen und daraus übertragbare Ansätze abzuleiten. Durch den engen Austausch mit dem Team vor Ort konnten wir viele wertvolle Erkenntnisse sammeln, die nun in die Guidelines einfließen.

LK: Mit welchen Forschenden hast du zusammengearbeitet?

MG: Während meines Aufenthalts habe ich vor allem mit dem Team des Cyber-Human Lab am Institute for Manufacturing zusammengearbeitet. Dort war ich in engem Austausch mit mehreren Forschenden, die sich mit Themen wie Mensch-Technik-Interaktion, immersiven Technologien und der Gestaltung industrieller Arbeitsprozesse beschäftigen. Besonders intensiv war die Zusammenarbeit mit dem Leiter des Cyber-Human-Labs, sowie den Kolleg:innen, die direkt in das gemeinsame Projekt eingebunden waren – sowohl auf konzeptioneller Ebene als auch bei der inhaltlichen Ausarbeitung der Guidelines.

LK: Gab es besondere methodische oder fachliche Impulse, die du mitgenommen hast?

MG: Ja, auf jeden Fall. Besonders beeindruckt hat mich, wie strukturiert und praxisnah dort an Forschungsfragen herangegangen wird – gerade in der Planung und Durchführung von Experimenten. Auch der Austausch mit Forschenden aus unterschiedlichen Disziplinen hat mir neue Perspektiven eröffnet und gezeigt, wie vielfältig man bestimmte Themen angehen kann. Diese Einblicke nehme ich auf jeden Fall mit und lasse sie in meine weitere Arbeit einfließen.

LK: Wie hat sich der Forschungsalltag vor Ort von dem an unserem Lehrstuhl unterschieden?

MG: In Cambridge war der Forschungsalltag auf eine ganz andere Art organisiert als bei uns. Vieles war deutlich offener und flexibler gestaltet – sowohl räumlich als auch im Arbeitsstil. Die Arbeitsplätze waren in einem offenen Bürobereich untergebracht, was den direkten Austausch mit anderen stark erleichtert hat. Man kam schnell ins Gespräch, sei es bei der Arbeit oder zwischendurch in Gemeinschaftsbereichen wie der offenen Küche oder den Sitznischen im Gebäude. Das hat eine sehr lebendige, teamorientierte Atmosphäre geschaffen. Was außerdem auffiel, war die starke internationale Ausrichtung des Teams. Viele Teammitglieder waren nicht dauerhaft vor Ort, sondern arbeiteten remote aus verschiedenen Ländern. Der Austausch lief daher oft virtuell ab, mit flexiblen Meetingzeiten, die über verschiedene Zeitzonen hinweg koordiniert wurden. Im Vergleich zu unserer Struktur am Lehrstuhl, wo viele in festen Büros sitzen und der Austausch oft gezielter stattfindet, war das eine ganz andere Dynamik – deutlich spontaner, vernetzter und stärker auf interdisziplinäre Zusammenarbeit ausgelegt.

Persönliche Erfahrungen und Highlights

LK: Was war für dich das Highlight deines Aufenthalts – beruflich oder kulturell?

MG: Für mich war das größte Highlight die Zusammenarbeit mit dem Team vor Ort. Ich wurde super offen aufgenommen und konnte wirklich auf Augenhöhe mitarbeiten. Der Austausch war total bereichernd – fachlich, aber auch einfach im täglichen Miteinander. Es war richtig motivierend, neue Perspektiven kennenzulernen und frischen Wind für die eigene Forschung mitzunehmen. Man kommt aus der gewohnten Denkweise raus und bekommt Lust, Dinge nochmal anders anzugehen. Und auch kulturell hatte der Aufenthalt ganz besonderen Charme. Cambridge ist eine Stadt mit richtig viel Atmosphäre – die historischen Colleges, die kleinen Cafés an jeder Ecke, und die vielen grünen Parks, in denen man einfach mal abschalten kann. Diese Mischung hat den Aufenthalt für mich auch außerhalb der Arbeit zu etwas ganz Besonderem gemacht.

LK: Gab es eine besondere Begegnung oder ein Erlebnis, das dir im Gedächtnis geblieben ist?

MG: Ja, ein Erlebnis, das mir besonders im Gedächtnis geblieben ist, war meine erste Teilnahme an einer Formal Hall in einem der Colleges. Das ist ein traditionelles Abendessen, bei dem die Studierenden und Gäste in festlicher Atmosphäre zusammenkommen – mit Roben, langen Tafeln, Kerzenlicht und allem, was dazugehört. Es war wie ein kleiner Zeitsprung und gleichzeitig eine schöne Gelegenheit, sich auch außerhalb des Arbeitskontexts auszutauschen. Was mich dabei besonders beeindruckt hat, war die Mischung aus Tradition und Offenheit: Man sitzt zwischen Menschen aus aller Welt, spricht über Forschung, Alltag, Politik – und das in einem historischen Speisesaal, der wirkt wie aus einem Harry Potter Film. Dieses Zusammenspiel hat mich wirklich fasziniert und bleibt mir sicher noch lange in Erinnerung.

LK: Welche Herausforderungen hast du erlebt – und wie bist du damit umgegangen?

MG: Natürlich gab es auch ein paar Herausforderungen während des Aufenthalts. Eine davon war definitiv, sich in kurzer Zeit in die vielen neuen Abläufe und Strukturen vor Ort einzufinden. Gerade am Anfang ist vieles neu – von der Organisation über Kommunikationswege bis hin zu ganz praktischen Dingen im Alltag. Ich habe versucht, da möglichst offen ranzugehen, viel nachzufragen und einfach aktiv den Austausch zu suchen – das hat sehr geholfen, schnell Anschluss zu finden und sich einzuleben.

Rückblick und Ausblick

LK: Was nimmst du aus der Zeit für deine weitere Forschung mit?

MG: Aus der Zeit in Cambridge nehme ich auf jeden Fall viele wertvolle Impulse für meine weitere Forschung mit. Besonders der interdisziplinäre Austausch hat mir gezeigt, wie wichtig es ist, den eigenen Blickwinkel regelmäßig zu hinterfragen und offen für andere Herangehensweisen zu bleiben. Ich habe neue methodische Ansätze kennengelernt und auch inhaltlich einige Ideen mitgenommen, wie ich bestimmte Fragestellungen künftig anders oder weiterdenken kann.

LK: Gibt es neue Kooperationen oder Anschlussprojekte, die daraus entstanden sind?

MG: Im Moment liegt der Fokus erstmal darauf, das Projekt abzuschließen, das ich während meines Aufenthalts weitergeführt habe. Es gibt noch einiges an Nachbereitung, was ich in den kommenden Wochen angehen werde. Gleichzeitig gab es viele gute Gespräche und erste Ideen, wie man an einzelnen Themen anknüpfen könnte. Konkrete neue Kooperationen sind daraus noch nicht entstanden, aber ich kann mir gut vorstellen, dass sich daraus in Zukunft weitere gemeinsame Projekte entwickeln – der Austausch war auf jeden Fall sehr vielversprechend.

LK: Hast du einen Tipp für Kolleg:innen, die selbst über einen Forschungsaufenthalt nachdenken?

MG: Auf jeden Fall: einfach machen! Ein Forschungsaufenthalt bringt unglaublich viele neue Perspektiven – fachlich, aber auch persönlich. Mein Tipp wäre, sich frühzeitig mit potenziellen Partner:innen oder Einrichtungen in Verbindung zu setzen und offen über eigene Interessen und Ideen zu sprechen. Oft ergeben sich daraus spannende Anknüpfungspunkte, die man vorher gar nicht auf dem Schirm hatte. Und ganz praktisch: nicht zu perfektionistisch rangehen. Es muss nicht alles im Vorfeld bis ins Detail geplant sein – vor Ort entwickeln sich viele Dinge ganz natürlich. Wichtig ist, neugierig und offen zu bleiben, auch für andere Arbeitskulturen und Denkweisen. Gerade das macht den Reiz eines solchen Aufenthalts aus.

Abschluss

LK: Drei Worte, die deinen Forschungsaufenthalt am besten beschreiben?

MG: Herausfordernd, bereichernd, motivierend.

LK: Gibt es noch etwas, das du gern teilen möchtest?

MG: Was ich auf jeden Fall noch sagen möchte: Bei so einem Forschungsaufenthalt lernt man unglaublich viel – über die eigene Arbeit, über andere Arbeitskulturen, aber auch über sich selbst. Ich kann nur dazu ermutigen, solche Chancen zu nutzen, wenn sich die Möglichkeit ergibt. Und manchmal muss man einfach den ersten Schritt machen – der Rest ergibt sich dann oft ganz von selbst.